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Antonia Pauly: Himmelfahrt

  1.248 Wörter 4 Minuten 1.047 × gelesen
2017-02-12 2017-04-24 12.02.2017

Inhalt
Die Kommissarin Mylona entflieht der stressigen Arbeit als Polizistin in Deutschland und kehrt auf die Ferieninsel Zakynthos zurück, wo sie gleich wieder Arbeit findet. Es geschieht auch schon der erste Mord: Ein Hotelier wird grausam ermordet aufgefunden. Elenis erster Fall gestaltet sich als sehr schwierig, sie findet einfach keinen Täter, geschweige denn ein Motiv. Sie muß sich durch die harte Männerwelt Griechenlands durchkämpfen und so manche Hürde überwinden. Wird sie den Mordfall aufklären können?

Meinung
Da ich Krimis sehr gerne lese, habe ich mich auf „Himmelfahrt“ von Antonia Pauly sehr gefreut. Der Einstieg ins Buch ist mir ganz gut gelungen, was sich daraus erklären lässt, das der Schreibstil flüssig und leicht ist. Seite um Seite hat mich die Geschichte in ihren Bann gezogen. Frau Pauly hat die Personen und die Umgebung absolut detailgerecht und naturgetreu beschrieben. Auch die Geschichte, die Bräuche und Gebräuche der Insel Zakynthos werden sehr schön dargestellt. Man kann sich bildlich die Umgebungen vorstellen und wäre am liebsten selber dort. Die Spannung des Krimis steigt stetig an und man fiebert direkt mit. Einziges Manko für mich war, das ich manchmal etwas Schwierigkeiten mit den griechischen Namen und Ortsnamen hatte. Ich mußte zeitweise öfters diese Wörter wiederholen, gewöhnte mich aber langsam daran. Die Kapitel sind kurz gehalten, leider ist aber die Schrift ziemlich klein. Gut finde ich wieder, das sich am Schluß des Krimis eine Landkarte der Insel Zakynthos befindet, wodurch man selber nochmal alle Orte nachschauen kann.

Cover
Das Cover ist für mich ein bisschen zu unspektakulär gehalten. In einer Buchhandlung wäre ich wahrscheinlich daran vorbeigegangen.

Fazit
Für mich ein spannender Krimi mit vielen liebevoll dargestellten Details aus Griechenland.

Himmelfahrt
Antonia Pauly
202 Seiten
Hardcover: 21,6 x 15,4 cm
ISBN: 978-3-942223-18-8

Leseprobe:
Die Landschaft saust vorüber. Hellbraun in hellbraun mit graustaubigen Oliven- und Mandelbäumen. Wo die zentrale Ebene der ionischen Insel vor einigen Monaten noch von Wiesen in üppigem Wuchs bedeckt gewesen ist, liegen nun kahle Flächen rissigen Erdreichs. Die Trockenheit der Sommermonate hat wieder einmal jegliches Grün vom Antlitz der Insel Zakynthos getilgt.
»Du brauchst nicht so zu rasen, Nionio«, weist Kommissarin Eleni Mylona ihren Inspektor an. »Der läuft uns bestimmt nicht mehr weg.« Sie räuspert sich. »Ist bestimmt ziemlich hässlich, was uns erwartet!« Ein kurzer Blick auf den jungen Mann am Steuer hat ihr gezeigt, dass sie wohl nicht den richtigen Ton getroffen hatte. Nionio war bei ihren Worten kurz, aber merklich zusammengezuckt.
Durch die heruntergelassenen Scheiben des Polizeiwagens sind einzelne weit verstreut liegende Gehöfte zu erkennen, vor denen Hofhunde an langen Ketten in der Sonne dösen. Schmutzigweiße Ziegen stehen am Straßenrand und knabbern knisternde Blättchen von dürren Büschen.
»Dein erster Toter?«, hakt Eleni vorsichtig nach. Für sie gehörten Fahrten zu Leichenfundorten viele Jahre lang zum Arbeitsalltag. Eigentlich hat sie hier auf Zakynthos all die brutalen Verbrechen, mit denen sie ihre Tätigkeit bei der Kölner Polizei konfrontiert hat, hinter sich lassen wollen. Bei dem gerade mal 28-jährigen Inspektor, der noch vor wenigen Monaten seinen Dienst als Streifenpolizist bei der Abteilung Verkehr versehen hat, konnte man eine solche Berufsroutine kaum voraussetzen.
»Wow! Nein, ganz und gar nicht«, erwidert er übertrieben lässig. Nionio Spirakis hat sich bereits wieder gefangen. Nur das schnellere Kauen seines Kaugummis verrät seine Nervosität. »Ich habe schon einige Leichen gesehen«, fügt er hinzu. »Weißt du eigentlich, wie viele Verkehrstote wir hier jeden Sommer haben?«
Eleni fährt sich kurz durch ihre dunklen Locken.
»Dieses Mal geht es aber nicht um einen Verkehrsunfall«, betont sie langsam. »So wie es aussieht, haben wir es heute mit einem Mord- oder Totschlagsopfer zu tun.« Sie versucht hinter der coolen, sonnenbebrillten Fassade ihres jungen Kollegen irgendeine Reaktion auszumachen.
»Schon klar«, winkt dieser ab, während er seinen Kaugummi noch etwas hektischer bearbeitet. »Soll ich das Blaulicht rausstellen?«, fragt er kurz darauf grinsend.
»Ganz gewiss nicht«, wehrt die Kommissarin ab, obwohl sie gerade denselben Gedanken hatte – und sei es nur, um an diesem unsäglichen, mit Sand beladenen Lkw vorbeizukommen, der sich aus einer Einfahrt direkt vor ihnen in den Verkehrsfluss eingefädelt hat. »Dazu besteht überhaupt kein Anlass. Es ist ja schließlich keine Gefahr im Verzug. Außerdem sind Doktor Xenakis und Inspektor Gamiras bereits am Tatort.«
»Yeah, Gamiras!«, schnaubt Nionio verächtlich und wirft seiner Vorgesetzten aus seinen blauen Augen einen verschwörerischen Blick über den Rand seiner Sonnenbrille zu.
»Wie ich unseren lieben Mitarbeiter kenne, hat er alles bestens unter Kontrolle.« Mit der ironischen Bemerkung spielt Eleni auf die oftmals übertriebene Dienstbeflissenheit des zweiten ihr untergebenen Inspektors an. Jedes Mal, wenn sie an ihn denkt oder mit ihm zusammentrifft, überkommt sie ein leichtes Unwohlsein. Genau kann sie dieses Gefühl noch nicht einordnen, aber irgendetwas an dem knapp zehn Jahre älteren Beamten stört sie. Umgekehrt ist es nicht zu übersehen, dass auch Nionio Gamiras sich mit seiner neuen Vorgesetzten ziemlich schwer tut. Seit Eleni ihre Stelle auf der Insel Zakynthos zu Beginn des Jahres angetreten hat, ärgert sie sich über Gamiras’ ständige Besserwisserei und Übellaunigkeit.
Plötzlich wird sie hart an die Lehne des Beifahrersitzes gedrückt. Spirakis hat das Gaspedal voll durchgetreten und zieht jetzt in einem riskanten Manöver an dem Sandtransporter vorbei.
Die Kommissarin verkneift sich einen Kommentar und wechselt stattdessen das Thema. »Und du ziehst also wieder bei deiner Mutter ein?«
»Yeah, am 1. Oktober. Ist besser so. Das Zimmer in Vassilikos war über den Sommer ganz nett …«, stellt Nionio fest, »aber jetzt, wo der Winter vor der Tür steht, ist es da nur noch trist und zur Stadt ist es immerhin ein gutes Stück weit zu fahren. Die Bars, Tavernen und Supermärkte schließen nach und nach und abends hört man nichts als das Rauschen des Meeres. Das ist nichts für mich.«
Nionio trommelt mit seinen Fingern einen unhörbaren Rhythmus auf das Lenkrad.
»Und die Urlauberinnen …«, folgert Eleni, »sind auch nicht mehr da!«
Ein Lächeln umspielt Nionios hübsche Gesichtszüge. Die Sommermonate, in denen unzählige Fremde aus aller Herren Länder die Insel bevölkern, hat er sehr genossen. Vor allem die Touristinnen aus Skandinavien, die gern in Vassilikos, einem malerischen Landstrich am Südzipfel der Insel, absteigen, haben es ihm angetan. Die eine oder andere Eroberung ist ihm auch in diesem Jahr gelungen.
»Das Gute an den Touristinnen ist die Tatsache, dass sie immer in Urlaubs- und Abenteuerlaune sind …«
»Und mit dieser auch noch die ganze Woche über zur Verfügung stehen«, unterbricht ihn die Kommissarin.
»Klar«, lacht Nionio. »So muss ich meine Beutezüge nicht auf die Wochenenden beschränken, sondern kann sie bequem meinem jeweiligen Dienstplan anpassen.«
»Wie lange machst du das eigentlich schon so?«
»Was?«, fragt der junge Mann lässig und betätigt die Hupe.
»Jedes Frühjahr ausziehen, um dann im Herbst nach Hause zurückzukehren. Und was sagt eigentlich deine Mutter zu diesem Hin und Her? Wäre es nicht besser, du suchtest dir in der Stadt eine eigene kleine Wohnung? Frei nach dem Motto ›Selbst ist der Mann!‹, wie es schon in Goethes Faust heißt.«
»Du immer mit deinen deutschen Zitaten!«
»Wofür haben meine Eltern denn die Deutsche Schule in Thessaloniki für meine Schwester und mich bezahlt? Ein bisschen Bildung schadet nie. Also, sag schon! Was ist mit einer eigenen Wohnung?« ...

Portrait:
Antonia Pauly studierte Klassische Archäologie, Byzantinistik sowie Vor- und Frühgeschichte in Würzburg und promovierte mit einer Arbeit über Schildkröten in der Antike. Sie arbeitete für das Erzbistum Köln und für das Rheinische Landesmuseum in Bonn. Seit 2000 ist sie als Schriftstellerin, freie Texterin und Journalistin tätig.

Veröffentlichungen:
Zimmer mit Meerblick‹ Episodenroman, A. v. Goethe Vlg., Frankfurt / 2007;
Der Büttel zu Cöln‹ historischer Roman, Emons Vlg., Köln / 2008;
Tod auf dem Mühlenschiff‹ historischer Kriminalroman, Emons Vlg., Köln / 2009.